20. & 21. Komische Insel

Nicht nur der englische Linksverkehr hat mich verwirrt, sondern auch die ganze politische Situation in England. Schon auf dem Schiff von Santander nach Portsmouth meinte ein in der Umgebung von London Aufgewachsener zu mir, dass er einmal Tony Blair gewählt hat, weil er die Fuchsjagd einschränken wollte und Marihuhana legalisieren wollte (ob das stimmt, habe ich nicht geprüft, er sagte es so). Er erzählte aber nichts davon, dass er einen Krieg gegen den Irak und gegen Afghanistan führen wollte. Seitdem hat er nicht mehr gewählt. Auch bei der Brexit-Wahl hat er nicht gewählt. Das ist bezeichnend, wo der doch in Spanien lebt, weil ihm England zu deprimierend erschien. Er lebt dort auf einem Boot. Würde er doch von einem guten Euro-Pfund-Verhältnis profitieren.

Später sprach ich noch mit einem Tschechen und zwei Asiatinnen (Vietnam und Malaysia). Sie haben alle eines gemeinsam: Sie wollen oder müssen vielleicht weg aus England. Hatte ich bisher gedacht, dass es Frankreich poli-psychologisch in Europa am Schlechtesten geht, habe ich meine Meinung etwas geändert. Okay, Frankreich geht es schlecht, aber England geht es noch schlechter.

Eines ist mir noch aufgefallen bei den Brexit-Befürwortern. Sie wollen Commonwealth sein, aber gleichzeitig keine Ausländer. Das ist schon ein Widerspruch in sich. Commonwealth bedeutet, dass man etwas mit Ausländern zu tun hat. Zwangsläufig. Und mit Schiffen und mit Flugzeugen und so.

Wenn man Geld verdienen will, muss man im Kapitalismus zwangsläufig auch irgendwelche anderen Völker unterdrücken. Zumindest subtil. Heute aber ist das für die Engländer sicherlich nicht mehr so leicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Inder sagen: Hey, ihr Engländer, jetzt habt ihr uns ein paar Jahre unterdrückt, jetzt drehen wir den Spieß mal um. Es wird nichts mehr mit Commonwealth, liebe Engländer. Vergesst es. Und wenn ihr alle Ausländer rauswerft, habt ihr niemanden mehr, der die Drecksarbeit macht. Ich kann die ärmeren Leute zwar verstehen, wenn sie sagen wollen „Fuck the EU“, oder zumindest den sozialen Mechanismus nachvollziehen. Aber die Entscheidung für den Brexit war einfach nur schlecht, schlecht, schlecht. Und man spürt überall die Verunsicherung. Die Asiatin aus Malaysia erzählte mir, dass sie jetzt nicht mehr weiß, ob sie überhaupt nach ihrem Uni-Abschluss hier arbeiten darf.

Und das ist so schade; denn ich mag dieses seltsame Land in Europa sehr. Die Leute sind (meistens) höflich und freundlich. Die Leute haben Humor und so weiter. Fahrradmäßig war es vom Süden her sogar recht hügelig und ging übers Land und auch an der Themse entlang, was ein wirklich guter Fahrradweg ist. Ich verabschiede mich dann auch mal von ihm. Mal sehen, ob ich das nächste Mal überhaupt noch ein Visum bekomme!

Portsmouth – Ash Vale 69km
Ash Vale – London 72km

1 Kommentar

  1. Ina Ina
    22. Juli 2016    

    Gut, dass du jetzt Zeitzeuge bist in der Phase der „Großen englischen Verwirrung“. Das ist eine große Leistung für die EU diese Kontakte zu Menschen zu knüpfen!